Jojo ist 9 Jahre alt und lebt mit seiner Mama Julia, Papa Mario und Schwester Franziska in dem 580-Seelen-Dorf Eisborn nahe Balve im Sauerland. Mit im Haus wohnt der Opa, eine Tante direkt im Haus nebenan. „Jonathan und Franziska gehören hier zur Dorfgemeinschaft, wie jeder andere auch“, erzählt Mama Julia bei einer Tasse Kaffee auf der überdachten Terrasse der Familie. Franzi parkt in ihrem Rollstuhl direkt neben ihr und lauscht. „Ich glaube, das liegt daran, dass wir mit Franzis Erkrankung immer sehr offen umgehen, sie einfach, wie jedes gesunde Kind, überall mit hinnehmen.“
Der 9-jährige Jojo lacht viel, ist immer in Bewegung: „Anja, lass uns bitte Fußball spielen – oder doch lieber Trampolin hüpfen“. Die Ansprechpartnerin für Geschwister lacht mit ihm: „Na logisch – los geht´s“ und die beiden verschwinden um die Ecke des Hauses.
Bereits seit 2016 besteht der Kontakt der Familie zum DKHV e.V., sie werden von zwei Ehrenamtlichen und Jojo insbesondere natürlich durch Anja Schulte als Ansprechpartnerin für Geschwister begleitet.
Zehn Minuten später kommen Jojo und Anja zurück, beide etwas außer Atem. Jojo lässt sich in den Stuhl fallen. Eine Sache brennt ihm noch unter den Nägeln. Er windet sich, weiß nicht, wie er anfangen soll: „Ich bin mit Delfinen geschwommen, weißt du das Anja?“, platzt es leise aus ihm heraus. Die ganze Familie, inklusive Opa und Tante, war im August in der Türkei, zur Delfintherapie für Franzi. „Wie war das Jojo? Willst du erzählen?“ fragt Mama Julia. Das sind dem 9-Jährigen dann aber gerade zu viele Worte: „Ne - mach du“, sagt er, greift zu einem Stück Kirschkuchen und schiebt es sich in den Mund. „Okay“, schmunzelt seine Mutter. „Wir hatten das Glück, eine Delfintherapie machen zu können. Ich weiß nicht, was diese Tiere an sich haben, aber sie bewegen etwas in den Menschen.“ Franzi habe sich allerdings in dem Neoprenanzug und der Situation zunächst überhaupt nicht wohl gefühlt und viel geweint. „Das kann Jojo gar nicht haben. Die Trainerin bat ihn schließlich ins Wasser zu kommen. Ab diesem Moment lief es großartig. Jojo ist Franzis Superheld, ihr Anker, wenn sie sich fürchtet – und gleichzeitig ist das für Jojo völlig normal. Er empfindet sich nicht als besonders oder ungewöhnlich.“ In Franzis Gesicht, die aufgrund ihrer Erkrankung nicht sprechen kann, breitet sich ein Lächeln aus. „Nicht wahr Franzi – Jojo und du seid ein Dreamteam. Sie kann es auch nicht haben, wenn Jonathan weint, traurig ist. Dann weint sie mit. Allerdings lacht sie, wenn er geschimpft wird, weil er Unsinn gemacht hat,“ schmunzelt Julia.
Für den Jungen ist es unvorstellbar, dass seine Schwester andere Rechte haben könnte als er – aber natürlich gibt´s auch Dinge, die er doof findet: „Im Moment beschäftigt ihn das Thema Spielen sehr“, sagt Julia. „Ist schon manchmal blöde, dass Franzi nicht mit Fußball spielen kann oder so. Dafür können wir super zusammen fernsehen. Aber es wäre schon cool, wenn die Krankenkasse endlich den Rolli für Franzi genehmigen könnte“, sprudelt es jetzt aus ihm heraus. Das mit dem Rollstuhl will seine Mutter doch noch erläutern: „Wir haben jetzt schon zig Mal einen geländegängigen Reha-Rollstuhl für Franziska beantragt, aber dieser wird ständig abgelehnt. Begründung: Wir haben ja schon einen Rollstuhl“. Das macht sogar die sonst sehr gelassene Julia fassungslos. „Wir sind eine aktive Familie. So können wir Franzi bei vielen Aktivitäten nicht mitnehmen – wie zum Radfahren, beim Besuch im Wildwald Vosswinkel oder einfach bei einem Spaziergang im Wald. Die Achsen ihres normalen Rollstuhls würden brechen. Sieht so Inklusion aus?“ Das sei auch für Jojo sehr frustrierend. Er will diese Dinge gemeinsam mit seiner Schwester erleben, nicht immer nur mit Mama oder Papa – denn einer muss ja bei seiner Schwester bleiben. „Dieser immerwährende, unnötige Kampf mit Krankenkassen oder Behörden - der zehrt wirklich an uns“, unterstreicht Julia. Natürlich hat auch die Corona-Pandemie Spuren hinterlassen – auch bei Jojo: „Er hatte wahnsinnige Angst um seine Schwester. Dass er das Virus unbemerkt mitbringt, Franzi ins Krankenhaus muss. Ohne unser gutes Netz an Vertrauten, wären wir sicher durchgedreht. Ich mag mir nicht ausmalen, wie es Familien ging, die nicht so ein Netzwerk haben.“
Die lebensverkürzende Erkrankung seiner Schwester beschäftigt Jonathan mal mehr, mal weniger. Vor einiger Zeit hat er bei einem Aufenthalt in einem stationären Kinderhospiz mitbekommen, wie ein Kind verstorben ist. „Danach wollte er nicht mehr dahin – und Franzi durfte schon gar nicht mehr dort hin,“, berichtet Julia. „Aber derzeit ist das kein Thema. Ich bin gespannt, wann Sterben und Tod zurückkommen in seiner Gedankenwelt.“
Schule, Fußball, Schlagzeug spielen, die Feuerwehr, seine Freunde im Dorf, Zeit mit Franzi verbringen – das nimmt den Alltag des 9-Jährigen gerade völlig ein. „Und das ist auch gut so“, findet Mutter Julia. Denn: Für Jonathan sind alle Kinder gleich. Und damit ist er ein Vorbild für uns alle.
Zum Weltkindertag:
Das Motto des Weltkindertags, der in Deutschland am 20. September, gefeiert wird lautet 2022: „Gemeinsam für Kinderrechte.“ Zusammen mit dem Deutschen Kinderhilfswerk ruft UNICEF alle Verantwortlichen – von den Eltern über die Schulen, die Politik und Verwaltung bis hin zu Unternehmen – dazu auf, sich gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen noch stärker für die Verwirklichung ihrer Rechte einzusetzen. Die UN-Kinderrechtskonvention wurde am 20. November 1989 von der UN-Generalversammlung angenommen und trat am 2. September 1990 in Kraft. Weitere Infos unter www.kindersache.de.